Teilprojekt 5
Islamische Normsetzung in muslimischen Frauengruppen auf Facebook
In der öffentlichen Wahrnehmung werden islamische Internetforen v.a. mit dem radikalen Islam assoziiert oder als potenzielle Orte der Radikalisierung und der Verbreitung von Propaganda verstanden. Dementsprechend wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Ansätze der Online-Präventionsarbeit entwickelt und umgesetzt, mit dem Ziel, in diesen Foren Aufklärungsarbeit zu leisten, alternative Erzählungen zu entwickeln und sich als Ansprechpartner*innen anzubieten. Während Präventionsprojekte in Onlineforen, welche dem radikalen Islam nahestehen, wertvolle Arbeit leisten, stellt die öffentliche Wahrnehmung islamischer Onlineforen für die mehrheitlich szenefernen Muslim*innen insofern ein Problem dar, als auch ihre digitale Kommunikation als Ort möglicher Radikalisierung verstanden wird und ihnen mit Misstrauen begegnet wird.
Dieses Projekt nimmt verschiedene szeneferne, deutschsprachige Facebookgruppen für muslimische Frauen in den Blick, welche nicht für den Austausch über den Islam, sondern für den Austausch über Alltagsthemen angeboten werden (u.a. Haushalts- und Dekorationsgruppen, Kochgruppen oder auch Abnehmgruppen). Es wird untersucht, zu welchen Themenbereichen – wie z.B. Ehe, Kindererziehung oder Bildung – und in welcher Form dort islamische Normsetzung stattfindet. Im Zentrum steht die Frage danach, wie die muslimische Frauencommunity auf islamische Normsetzungen reagiert und welche Argumente und Quellen in der Diskussion zur Anwendung kommen.
Dabei werden die muslimischen Frauen nicht mit gängigen Stereotypen als potenzielle Opfer oder Täterinnen stigmatisiert, sondern in ihrem Potenzial als Mitglieder der Mitte der Gesellschaft wertgeschätzt. Für die Auswertung treten die Sprecherinnen in ihrer Individualität in den Hintergrund. Ausgewertet werden allein die Chatverläufe der Frauen mit dem Ziel, neue Möglichkeiten der Online-Präventionsarbeit auszumachen, welche auf dem Umgang der deutschsprachigen muslimischen Community mit islamischer Normsetzung selbst beruhen.
Zentrales Forschungsinteresse
Ziel der Studie ist es, innerislamische Kommunikationsmuster aufzugreifen und über sie praxisrelevante Erkenntnisse über die geschlechter- und religionssensible Präventionsarbeit zu gewinnen:
Wie wird islamische Normativität in den Sozialen Medien produziert und verbreitet?
- Welche Ansprachestrategien werden verwendet?
- Welche Themenbereiche werden aufgegriffen?
- Welche Gegenstrategien lassen sich beobachten?
Vorgehen
Für das Projekt wird erneuerbares online Datenmaterial aus verschiedenen Facebook Gruppen muslimischer Frauen gewonnen, für die weitere Verarbeitung aufgearbeitet und entsprechend der DSGVO gesichert. Die Datensätze werden im Anschluss daran über qualitative Inhaltsanalyse mittels der Datenanalysesoftware MAXQDA ausgewertet. Parallel hierzu erfolgt über eine online-ethnografische Herangehensweise eine Analyse der ausgewählten Facebookgruppen. ExpertInneninterviews liefern zusätzliche praxisrelevante Informationen zur Erarbeitung von Handlungsempfehlungen. Die Vorbereitung der Interviews wird durch kollegiale Beratung im Wechselwirkungen-Team und Peer-Review bei der Erstellung von Gesprächsleitfäden unterstützt.
Netzwerkpartner
- beRATen e.V. (Ansprechpartner: Harry Guta) beRATen e.V. – Jugend- und Familienberatung in Hannover
- Präventionsnetzwerk in Nürnberg (Ansprechpartner: Reiner Neusser) Präventionsarbeit gegen religiös begründete Radikalisierung – Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg
- PROvention e.V. (Ansprechpartner: Pascal Brügge) Radikalisierungsprävention | Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus
- ZMD (Ansprechpartner: Hamza Wördemann) Zentralrat der Muslime in Deutschland, e.V.