Es sei richtig, den Prozess noch einmal aufzurollen, so Rohe. Der Bundesgerichtshof habe mit Recht darauf hingewiesen, dass man hier genauer hinschauen müsse, ob es nicht einzelne Bevölkerungsgruppen gebe, auf die eine Scharia-Polizei eben doch einschüchternd wirke. Dieser Umstand würde dann dazu führen, dass ein Uniformverbot letztlich greifen würde. Von einer Scharia-Polizei sei in erster Linie die muslimische Bevölkerung hierzulande betroffen und könne sich in strafrechtlicher Weise eingeschüchtert fühlen. Doch auch auf Nichtmuslime könne die Aktion Scharia-Polizei in Zeiten, in denen sich gewalttätiger islamistischer Extremismus auch in Deutschland manifestiere, auf Teile der Bevölkerung einschüchternd wirken. Auch wenn man die selbstgebastelten Westen als Spinnerei abtun könne, so könne sich auch aus dieser Spinnerei eine Radikalisierung entwickeln. In diesen Fällen gelte es, Prävention zu betreiben, womöglich auch auf Deradikalisierungsmaßnahmen zurückgreifen.
Juristisch müsse man aber festhalten: Spinnereien sind kein Straftatbestand. Daher müsse darauf geachtet werden, die rechtsstaatlichen Maßstäbe einzuhalten. Wo die Grenzen des Strafrechts überschritten seien, müsse man eingreifen – Wo diese Grenze noch nicht erreicht sei, brauche es nicht nur eine breite gesellschaftliche Debatte, sondern auch entsprechende Maßnahmen, die Entwicklungen verhindern.
Das Strafrecht habe zweifellos auch eine Signalwirkung. Man könne von der sogenannten Generalprävention sprechen: Straftäter würden auch bestraft, um andere von solchen Straftaten abzuschrecken. Auch spiele die Resozialisierung eine Rolle – der Täter solle durch die Strafe auf den rechten Weg gebracht werden. Das Strafrecht diene insgesamt dazu, ein unerlässliches Minimum an gemeinsamen Verhaltensregeln aufzustellen. Wer sich daran nicht halte, der müsse mit aller Deutlichkeit in die Schranken gewiesen werden.
Angemessene Formen der Auseinandersetzung mit den Phänomenen eines salafistischen oder womöglich politisch inspirierten Islam seien, jenseits des Rechts, vor allem in den Bereichen Erziehung, Bildung und Prävention angesiedelt. Das Recht könne zwar bestimmte Verhaltensweisen erzwingen oder auch verbieten. Überzeugungsbildung geschehe jedoch weitgehend außerhalb der Anwendung konkreter Rechtsvorschriften. Dies sei eine Frage der familiären Erziehung, des sozialen Umfelds und Ähnlichem mehr. Man könne dort ansetzen, indem man einen islamischen Religionsunterricht in unseren Schulen ermögliche, der die kommenden Generationen zu einer Demokratie-und-Rechtsstaat-kompatiblen Haltung führe und sie in die Lage versetze, sich eigenständig zu ihrer Religion zu positionieren.
Zum Glück seien die allermeisten Muslime friedfertig und folgten dieser Richtung. Die anderen müsse man in die Lage versetzen, sich mit extremistischen Vorstellungen und Ideen, die sich auch auf islamische Quellen stützen, auseinanderzusetzen und sie auch zu widerlegen. Dieser großen Aufgabe versuche man inzwischen mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen zu begegnen. Das sei begrüßenswert, könne aber noch weiter ausgebaut werden. Wichtig sei aber auch – und das betreffe die gesamte Gesellschaft -, den Islam oder die Muslime nicht unter Generalverdacht zu stellen. Das wäre grob falsch. Leider gebe es inzwischen politische Parteien, die in diese Richtung gingen, also nicht nur konkrete sachbezogene Kritik übten. Und da müsse man genauso gegenhalten, denn es dürfe nicht sein, dass die Extremisten aller Seiten – Islamisten ebenso wie Islamhasser – letztlich die Diskurshoheit gewönnen.
In der Gesamtbevölkerung gebe es eine sehr weit verbreitete Unsicherheit. Darum müsse man existierende Probleme völlig klar und unvoreingenommen angehen. Gefährlich werde es, wenn es heiße, der Islam könne gar nicht anders, die Gewalttätigkeit entspringe dieser Religion geradezu zwangsläufig. Das widerspreche allen auf Fakten beruhenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Verfassungsgericht habe wiederholt bestätigt, nicht die Schriften irgendwelcher Religionen auf Verfassungskonformität zu prüfen, sondern nur das Verhalten betroffener Menschen, die dieser Religion angehörten.
Es gebe allerdings eine abstrakte Angst vor dem Islam. Da müsse man aufzupassen, den islamfeindlichen Propagandisten nicht in die Falle zu laufen. Es gelte, die Mitte der Gesellschaft zusammenzuhalten, aber auch den oft ohne Faktengrundlage geschürten Ängsten entgegenzutreten. Ansonsten drückte man viele Personen in unserer Gesellschaft in eine Ecke, in die sie gar nicht gehörten und in die sie auch nicht wollten.