Neue Publikation von Gerdien Jonker: Das Moscheearchiv in Berlin – Wilmersdorf
Für das Projekt MIDA – Das Moderne Indien in Deutschen Archiven 1706-1989 – hat EZIRE-Mitarbeiterin Gerdien Jonker das als verloren gegoltene Archiv der Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Wilmersdorf ausgehoben und erforscht.
In der nun vorliegenden ersten Veröffentlichung „Das Moscheearchiv in Berlin-Wilmersdorf: Zwischen muslimischer Moderne und deutscher Lebensreform“ inventarisiert Jonker zunächst das gefundene Material, skizziert den historischen Hintergrund der Ahmadiyya-Missionare und analysiert die im Archiv gut festgehaltenen Tätigkeiten der Imame in Berlin. Langfristiges Ziel des Projekts ist es, das Archiv Interessenten für Globalisierungsgeschichte, islamische Reform, deutsch-indische Beziehungsgeschichte oder die Geschichte der Lebensreform öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Die Ursprünge der Ahmadiyya-Mission und ihr Weg nach Berlin
Die Ahmadiyya-Bewegung entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Norden Indiens als Reaktion auf die britisch-christliche „Zivilisierungsmission“. Gründer und Namensgeber Mirza Ghulam Ahmad bot sich den indischen Muslimen als „Prophet im Schatten des Propheten (Zilli Nabi)“ an und schickte ab 1900 seine Schüler nach christlichem Vorbild als Missionare in andere Regionen der Welt. 1923 begannen die Ahmadi Missionare mit dem Bau einer Moschee in Berlin und versuchten, mit der deutschen Bevölkerung ins Gespräch zu kommen.
Erste Erkenntnisse über Gemeindeverwaltung und -leben
Die Verwaltungssprache der Ahmadiyya-Moschee war deutsch, lediglich die Korrespondenz mit dem Mutterhaus in Lahore wurde in Urdu geführt. Dieser Austausch war rege, denn Erfolgsbotschaften der Berliner Missionsarbeit beflügelten die Bewegung in Indien. In Ordnern mit der Beschriftung „Neue Muslime“ ist das Interesse der deutschen Bevölkerung an der Mission dokumentiert und Austrittsbescheinigungen von Kirchen und Synagogen sowie Heiratsregister zeugen von zahlreichen Konversionen.
Die Anpassung der Missionare an die deutsche Vereinsstruktur wurde 1930 mit Gründung der Deutsch-Moslemischen Gesellschaft (DMG) als eingetragener Verein vollzogen. Neben Vereinssatzung und Mitgliederlisten sind auch nicht-bürokratische Dokumente erhalten, wie beispielsweise die Fotosammlung von Imam Abdullah, die die Geschichte vom „geselligen Zusammenleben von Indern und Deutschen“ erzählt.
Der Archiv-Bestand der Ahmadiyya-Moschee umfasst nach erster Sichtung wohl um die 70.000 Archivalien, deren öffentliche Einsehbarkeit bis 2021 im Landesarchiv Berlin angestrebt wird. Für dieses Ziel wartet das EZIRE noch auf Bewilligung eines DFG-Antrags, welche die Entwicklung einer Archiv-Systematik und weitere Untersuchungen zur Folge hätte.