Neuwahlen in der Türkei: Einschätzungen von Hüseyin Çiçek
Für die Vorarlberger Nachrichten analysiert der Politologe und wissenschaftliche Mitarbeiter am EZIRE, Dr. Hüseyin Çiçek, die Ankündigung des türkischen Regierungschefs Erdogan, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei um anderthalb Jahre vorzuziehen. Die Wahlen sollen nun schon im Juni 2018 stattfinden und würden die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei abschließen. Für Erdogan sei der Zeitpunkt günstig, stellt Çiçek fest: Dieser genieße derzeit einen großen Rückhalt in der türkischen Bevölkerung. Dazu hätten der erfolgreiche türkische Militäroffensive in Afrin und die türkische Positionierung im Syrienkonflikt beigetragen. Hier hätte die Türkei es geschafft, sich neben Russland und Iran als ernstzunehmender Akteur mit geostrategischen Interessen zu etablieren. Aber auch die Ankündigung Erdogans, Kriegsflüchtlinge zurückführen zu wollen, trügen zu seiner Beliebtheit bei. Ernsthafte Konkurrenz muss der türkische Staatschef laut Çiçek derweil nicht fürchten: Die Popularitätswerte der größten Oppositionspartei in der Türkei, CHP, seien an einem Tiefpunkt. Mehrere Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP säßen derweil aufgrund des immer noch andauernden, staatlich verhängten Ausnahmezustands in Haft. Çiçek bringt den Vorstoß Erdogans auch mit der Sorge um eine Machtverschiebung nach rechts in Verbindung. Die Vorsitzende der neuen rechten Partei İyi, Meral Akşener, mache gegen Erdogan mobil. Mit den vorgezogenen Neuwahlen könne Erdogan jedoch auch dieser rechten Konkurrentin ein Schnippchen schlagen: Deren Partei wird erst wenige Tage nach dem angestrebten Wahltermin am 24. Juni überhaupt zu Wahlen zugelassen werden.