Hüseyin Çiçek kommentiert: Die Türkei und die Geopolitik des Westens
Dr. Hüseyin Çiçek, Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am EZIRE, kommentiert in Der Standard die geopolitischen Verflechtungen zwischen der Türkei und dem Westen.
Das Verhältnis zwischen Ankara und Washington sei in der letzten Zeit problematisch gewesen, so Çiçek. Obwohl der türkische Präsident Erdogan die Türkei zunehmend in einen autoritären Staat umwandle und gezielt gegen die Interessen der USA agierte, läge es nicht in Washingtons Interesse, die Zusammenarbeit mit seinem türkischen Bündnispartner zu beenden – zumindest, solange die geopolitischen Interessen an einer Zusammenarbeit überwögen.
Einige Aktionen des türkischen Bündnispartners hätten die Amerikaner zwar zumindest irritiert, macht Çiçek deutlich. Hier nennt der Politikwissenschaftler unter anderem die Verhaftung von Mitgliedern des US-State Departments in der Türkei. Auch die Inhaftierung und Verurteilung des US-amerikanischen Pastors Andrew Brunson sei in den USA auf Unverständnis gestoßen, ebenso wie die vehemente Forderung Ankaras nach der Auslieferung Fethullah Gülens.
Auch die Türkei habe, so Çiçek, wiederholt ihre Unzufriedenheit mit der amerikanischen Nahostpolitik zum Ausdruck gebracht. Die Unterstützung der kurdischen YPG in Syrien durch US-Präsident Trump und dessen Vorgänger Barak Obama folge, so Erdogan, dem Ziel der Zerstörung der Türkei.
Doch trotz dieser Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Türkei und seinen westlichen Bündnispartnern ist Çiçek sicher, dass die völkerrechtswidrigen Handlungen Ankaras von Washington und Brüssel weiter toleriert würden. Den türkischen Einsatz in Afrin ließen die Amerikaner ebenso unkommentiert wie die türkische Drohung, amerikanische Stellungen ins Visier zu nehmen, wenn diese sich nicht von „kurdischen Terroreinheiten“ distanzierten. Die USA wollten die Allianz mit dem türkischen Staat weiter aufrechterhalten. Entsprechend, so macht Çiçek deutlich, sei auch bei weiteren völkerrechtswidrigen Aktionen der Türkei nicht mit ernsthafter westlicher Opposition zu rechnen.