2016: Professor Rohe zieht „Islambilanz“
Terror, Burka, Kinderehe – das waren nur einige der Themen, die die deutsche Gesellschaft beim Thema Islam im Jahr 2016 beschäftigt haben. Doch ist dieses negative Bild wirklich gerechtfertigt? Welche Herausforderungen warten 2017 auf Deutschland, und wie kann diesen in gemeinsamer Arbeit mit Muslimen und Musliminnen begegnet werden? Mathias Rohe zieht im Gespräch mit Christiane Florin im Deutschlandfunk eine „Islambilanz“ des Jahres 2016.
2016 begann mit der Kölner Silvesternacht, inzwischen bei vielen ein Inbegriff für das rückständige Frauen- und Geschlechterbild von Flüchtlingen, insbesondere Nordafrikanern. Professor Rohe, Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa, sagt hier: „(…) Wir müssen darüber reden. Menschen kommen zu uns, die eine strenge Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit kennen und sehen nun, dass wir es hier ganz anders haben (…). Vor allem müssen wir vermitteln, warum es bei uns so ist und dass wir einfordern, dass es auch so bleiben kann.“ Rohe erklärt, dass viele Muslime ein eindimensionales Bild von europäischen Frauen hätten, ganz nach dem Motto: Die ist leicht zu haben. Aber er sagt auch: „Das Geschlechterbild rührt vor allen aus patriarchalischen Lebensstrukturen. Die Religion ist nicht die primäre Ursache.“ Die Tatsache, dass Fehler, die Menschen mit muslimischem Glauben begingen, primär ihrer Religion zugeschrieben werden würden, sei eine „fatale Entwicklung“, die bereits nach dem 11. September begonnen hätte. Aus früheren Ausländern, Türken oder Arabern würden dabei nun Muslime gemacht. Dabei kenne Rohe niemanden im islamischen Spektrum, der Ereignisse wie die Kölner Silvesternacht gutheißen würde. Das Problem seien vielmehr die schwierigen sozialen Verhältnisse, in denen viele der Täter der Silvesternacht sozialisiert worden seien.
Auch über die Burka-Diskussion des Sommers 2016 spricht Rohe, und macht wiederholt deutlich, dass er diese für eine „Zumutung“ halte. Das dahinterstehende Geschlechterbild sei „eine reine Katastrophe“. Aber dennoch meint Rohe, dass man im öffentlichen Raum viele Dinge aushalten müsse, die einem nicht gefielen, und dass man gute Gründe brauche, um die Freiheit des Einzelnen hier einschränken zu können.
Eine öffentliche Debatte gab es 2016 auch im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Sexualdelikte bezüglich der Frage, wann Herkunft und Religion einer Person für eine Meldung relevant seien. Rohe versucht diese folgendermaßen aufzulösen: Die Religionszugehörigkeit sei zu nennen, „wenn diese Nationalität oder Religion maßgeblich zur Erklärung von Sachverhalten beiträgt“. Um in der aktuell aufgeheizten Atmosphäre die Verbreitung von Verschwörungstheorien zu vermeiden, sei es aber im Zweifel besser, Dinge offen zu legen. Dies ermögliche es auch, öffentlich zu diskutieren, ob denn wirklich Herkunft oder Religion des Täters eine Rolle gespielt habe.
Aber was sei denn nun dran an dem negativen Islambild, dass viele Menschen immer wieder mit dem Islam in Verbindung brächten? Rohe macht deutlich, dass die Belegung der vermeintlichen Menschenfeindlichkeit des Islams durch Koranzitate haltlos sei: „Es liegt alleine in der Hand von Musliminnen und Muslimen, ihre Schrift, ihre Heilige Bezugsschrift, auszulegen.“ Deswegen hält Rohe aber auch nichts von dem häufig fallenden Satz, dass islamistischer Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Denn: „Auch der Islam hat ein Gewaltpotenzial, wenn man das so liest, wie diese Leute das lesen wollen.“ Hier sei es aber wichtig, anzuknüpfen und nach den Gründen der Radikalisierung dieser Menschen zu fragen. Schließlich gäbe es auch im Christen- und Judentum Stellen in den jeweiligen Bezugsschriften, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Hier werde wieder klar: „Es kommt allein auf die Haltung der Gläubigen an.“
Und wie soll die deutsche Gesellschaft den Herausforderungen im neuen Jahr begegnen? Rohes Fazit nach einem Jahr mit vielen Anschlägen und Schreckensmeldungen ist deutlich: „Wir müssen zusammenhalten, als die Friedliebenden, von allen Religionen und Ethnien und mehr.“ Die gesamten hier lebenden, friedlichen Muslime dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden.